Es war einmal… Konsolen Szene

Es ist nicht immer ganz einfach für einen Außenstehenden nachzuvollziehen, was im Kopf eines Verlagsleiters vorgeht. Manchmal müssen sich die entsprechende Personen jedoch die Frage gefallen lassen, welche bewusstseinserweiternden Substanzen sie konsumiert haben – so auch im Fall der „Konsolen Szene“.

Das Cover sieht, mit Ausnahme des kleinen Bildes mit der Beschriftung „Unter der Lupe: Kopierstationen“ noch ganz gewöhnlich aus. Ein Blick auf die erste Anzeige des 68seitigen Magazins und das Editorial lassen gleich zu beginn tief blicken – bis nach Hongkong.

… und die Konsolenwelt dreht sich weiter !!!

Mit unserer Erstausgabe der Konsolen Szene setzen wir den Startschuß zu etwas neuem, wir werden euch in die Videospiele Szene entführen. Unser junges Team ist seit jeher von der Videospiele- und Konsolenwelt fasziniert und hat etliche Stunden vor dem Flimmerkasten verbracht. In einem Moment der Unbeherrschtheit über firmenpolitische Falschmeldungen in verschiedenen Videospielzeitschriften haben wir uns dazu entschlossen, manche Dinge in der Videospielszene auf den Punkt zu bringen, und allen Videospielfans ein vollkommen unabhängiges Magazin anzubieten. Wir berichten für euch unabhängig über alle Themen und Neuheiten der Videospiele Welt. Wir nehmen im Gegensatz zu allen anderen Videospielmagazinen keine Rücksicht auf die internen Marktpolitiken der verschiedenen Hersteller. Deshalb liegt uns auch daran gewisse Themen nicht einfach zu ignorieren, oder diese einfach kurz und uninformativ abzuwerten. Denn schließlich würde es die Videospielewelt in ihrem heutigen Dasein ohne euch nicht geben!

Viel Spaß beim lesen!

Inhaltlicher Nonsens…

Wir tun etwas, was es noch nie zuvor gegeben hat und setzen den Startschuss zu einem völlig neuen Magazin. Nur wir haben die Weisheit mit Löffeln gefressen, sind wirklich unabhängig, bringen manches auf den Punkt, vieles aber auch nicht und sorgen dafür, dass die Sonne immer scheint.

Nebenbei scheißen wir auf sämtliche Regeln der alten und neuen Rechtschreibung, denn wir sind so unabhängig, dass wir unsere eigene Schreibweise erschaffen haben!!!

Direkt neben dem katastrophalen Editorial erstrahlt eine Anzeige zu einer N64-Modul-Kopierstation und gibt einen guten Einblick auf den weiteren Heftinhalt.

Zu Beginn gibt man sich mit Inhaltsverzeichnis und Newsflash ganz klassisch und beweist nebenbei, dass farbige Hintergrundmotive schon immer mit Vorsicht zu genießen waren. Weiße Schrift kann man am dunklen, unteren Rand zwar gut lesen, auf dem gelben Auge des Glubschviehs wird der Versuch die News zu entziffern zu einem Kraftakt.

Auch der Bericht über Earthworm Jim ist von „Sega´s eigenem Magazin“, „Shiny´s Tür“ und „Interplay´s Wahl“ abgesehen, nicht die vollständige Katastrophe. Interessanter wird’s hingegen bei dem Artikel „PlayStation Generation“. In diesem wird schnell der Ursprung der Abkürzung PSX erklärt, bevor man dazu übergeht den Wechseltrick für Importspiele, Sonys neue PlayStation-Baureihe und den „Superchip“ vorzustellen. Mit dem „Superchip“ kann man „Originalspiele, sowie alle Sicherheitskopien abspielen, welche man auf jedem PC mit eingebautem CD-Brenner erstellen kann“. Eine Schnelleinbauanleitung ohne Bilder gibt es ebenfalls. Völlig ohne Zusammenhang ist in die journalistische Nichtleistung ein MDK-Artwork eingebaut.

Zwischendurch wird auch über die Umsetzung des „Action Hit’s“ Forsaken fürs N64 berichtet und man erfährt, dass der Autor des Artikels vor kurzem das Spiel noch auf „Sony´s Traumkonsole“ zockte und diese leider ihre Grenzen erreicht hat.

Man hat eben ein Herz für den „3D-Shooter Fan“, nein „3D Shooter Fans“ *arg* nun hab ich’s, „3D-Shooter“.

… und rechtliche Grauzonen

Wem das Prozentsystem der heutigen Spielemagazine immer noch zu ungenau ist, die Entscheidung zwischen 80% und 81% ist ja wirklich schwer, wäre mit Konsolen Szene glücklich geworden.

Das Herzstück des Heftes, der elfseitige Bericht über die N64-Modulkopierstationen, kürt System Nr. 1 mit 92,5% zum Testsieger. System Nr. 2 bekommt lediglich 56,7% und System Nr. 3 nur noch 55% – die Namen schenke ich mir an dieser Stelle.

Alle Geräte werden ausführlich vorgestellt und ihre Bedienung erklärt. Ein Gerät kann sogar „MPEG Video CD’s“ abspielen. Die Bedienung eines anderen sei allgemein aber eher kompliziert und manche Funktionen nur für „Programmiererfreek’s“ verwendbar.

Der nächste Artikel handelt kurz, knapp und ungenügend über „Video Games @ World Wide Web“. Nebenbei hat man gerade vergessen, dass man seine Leser seit dem Editorial eigentlich duzt und entscheidet sich lieber fürs „sie“, selbstverständlich kleingeschrieben. Nebenbei kommt man zum Schluss, dass die Webseiten von Sega, Nintendo und PlayStation nicht informativ sind, die Konsolenseite des Herausgebers dieser Zeitschrift aber der Gral der Erleuchtung sei.

Zur Abwechslung ist mal wieder ein nichtssagender Bericht über ein Spiel dran (Blue Stinger), bevor es nach dem Poster zur „Babewatch-Wahl“ geht. Weiter im Programm über den Sprung von Pixelhelden in die Realität, wie z. B. Laras Sprung in ein Ärzte-Video.

Hübsch ist auch die „Spielvorstellung“ zu Ridge Racer Type 4. Die „Rennsimulation“ bekomme durch Echtzeitbeleuchtung ein extrem realistisches Fahrgefühl. Fahrzeuge blieben zwar weiterhin unkaputtbar, dafür würden sämtliche Unfallsequenzen neu gestaltet. Zur Aufhübschung des Artikels wird ein vom Fernseher abfotografiertes Bild und ein Foto von Namcos Messestand gezeigt.

Nach so viel Einsatz in Sachen Vorschau und Kaufberatung ist dringend wieder ein Kapitel für Leute ohne Kleingeld nötig, kurz um, es geht um „Emu´s“. Wie es rechtlich für deren Programmierer aussieht, solle im Artikel unerwähnt bleiben, interessant sei eh nur die Verwendung des „Emu´s“ zum Spielen. Vor allem von Nintendo „Emu´s“. Ach, und beachten „sie“, die Redaktion könne keine Auskunft über Rom-Seiten geben.

Neun Seiten später philosophiert man darüber, ob ein PlayStation-Emulator für Windows Konkurrenz für Net Yaroze sei und stellt eine lustige Vergleichstabelle zwischen N64, PlayStation 2, Dreamcast und Project X auf, wo man irgendwelche Werte errät, die Tabellenzelle mit „geheim“ ausfüllt oder sie gleich vergisst mit Inhalt zu befüllen.

Schwerpunkte setzen ist wichtig, also noch schnell drei Seiten zu einem CD-Duplicator, mit dem man „CD’s“ ohne Einsatz von „PC’s“ vervielfältigen kann.
Bevor man noch ein paar Bilder sieht, wie sich ein Grafiker im Jahre 98 die PS2 vorstellte, verreißt man noch mal Off-Road Challenge fürs N64. Das Angebotene stehe in keinem Verhältnis zum Preis und eigentlich müsse das Spiel gratis angeboten werden – so schließt sich dann der Kreis…

Daten und Fakten:

Start: 11.11.1998
Erstausgabe: 01/1999
Finalausgabe: 01/1999
Ausgaben gesamt: #1
Verlag: ART Medienverlag (Austria)
Segment: Multiformat-Magazin
Erscheinungsweise: vierteljährlich
Copy-Preis: DM 3,90 (€ 1,99)

12 Antworten zu „Es war einmal… Konsolen Szene“

  1. hydr0x sagt:

    ich bin stolzer Besitzer dieses Heftes 🙂 Habs allerdings gebraucht erworben…

  2. Harald Fränkel sagt:

    Feiner Blog, hab mich sehr amüsiert, vielen Dank. Jetzt bin ich allerdings so neugierig, dass ich mir das Heft fast selbst mal anschauen muss, hrhrhr.

  3. Achzo sagt:

    Nette Beurteilung des Heftes – da wundert es mich nicht, dass dieses glorreiche Werk auf eine Ausgabe kam. 🙂

  4. Gabumon sagt:

    das das überhaupt eine ausgabe wurde ist schon peinlich, hab das teil nämlich auch

    irgendwie scheint es so als wenn der Verlag an den kopierstationen und den „superchips“ mitverdient hat so wie die da im heft in artikeln quasi beworben wurden

  5. Blah sagt:

    Was es so für Magazine gab … unglaublich 🙂

    Eine Anmerkung sei mir aber noch gestattet:

    >> „Nur wir haben die Weisheit mit Löffeln
    >> gefressen, (…) Nebenbei scheißen wir
    >> auf sämtliche Regeln der alten und
    >> neuen Rechtschreibung, denn wir sind so
    >> unabhängig, dass wir unsere eigene
    >> Schreibweise erschaffen haben!!!“

    Für jemanden, der die Kommasetzung selbst nicht richtig beherrscht und mitunter sehr willkürlich Kommas setzt, ist die hier permanent auftretende Kritik an der Unfähigkeit zur korrekten Benutzung der deutschen Sprache in meinen Augen ungerechtfertigt.

    Versteh‘ mich nicht falsch: Du hast schon Recht damit. Aber ich mich an deiner Stelle mal etwas vertrauter mit den Kommaregeln machen, bevor ich zu zetern darüber anfange, dass Deppenapostrophe und ähnliches gesetzt wird. Das ist in meinen Augen nicht besser.

  6. Evil sagt:

    Du kannst meine Kommasetzung gerne verbessern. Nur zu, ich bin für Vorschläge/Korrekturhinweise offen.

    Von einigen „stummen“ Mitlesern kommen per ICQ auch immer mal wieder Hinweise auf auf Tippfehler oder vergessene Wörter. Nehm ich dort oder per Mail gerne an.

    Bilder, Zwischenüberschriften, gefettete Absatzanfänge und ähnlicher Kram, sind auch aufgrund von Feedback entstanden.

    Wenn du etwas hast, nur her damit.

    Die Regeln zum Gebrauch von Apostrophen, seit/seid oder auch ss/ß beherrsche ich jedoch. Da nehme ich mir auch weiterhin das Recht heraus nach Belieben darauf herumzureiten. Um die teils grausame Rechtschreibung einiger Schreiberlinge auszubessern, haben Zeitschriften ein Lektorat — dieses besitze ich leider nicht.

  7. Blah sagt:

    Schon alles richtig, ich mache dir ja auch nicht den Vorwurf, Flüchtigkeitsfehler zu machen. Es kann nur als eine gewisse Besserwisserei – oder besser: Klugscheisserei – ausgelegt werden, wenn einer, der zum einen ebenso kleine Fehler macht und zum anderen noch selbst kein erfolgreiches Magazin (egal, ob Print oder Online) verlegt hat, den Guru mimt.

    Ich mag deinen Blog, lese regelmäßig mit und kommentiere auch hier und da und weiß, dass du von dem etwas verstehst, von dem du hier schreibst. Es wäre nur sehr schade, dass die vielen richtigen Erkenntnisse, die man hier vorfindet, aufgrund dieses negativen Besserwisser-Eindrucks „überstrahlt“ werden.

    Insofern: Zu den Kommaregeln findest du genügend hilfreiche Artikel im Netz. Schau sie dir an, verinnerlich es und schon haben Menschen wie ich keinen Grund, einen negativen Beigeschmack bei deinen Beiträgen vorzufinden 😉

  8. Evil, in einem Punkt irrst du dich dann leider doch: Was Apostrophe angeht, beherrshst du die Regeln auch nicht, sondern bist einem verbreiteten irrtum aufgesessen. Den Gemüsehändlerapostroph (oder „Deppenapostroph“, wie ihn die Nörgelelite nennt) wie in „Shiny’s Tür“ kann man durchaus verwenden, die aktuellen amtlichen Regeln sehen diese Möglichkeit vor (§97). 🙂

    Aber egal, toller Artikel! Das Heft habe ich leider verpasst. Mich würden mal die Hintergründe interessieren, ob da einfach nur ein paar Schreibsöldner ein Heft schlecht ins Deutsche übersetzt haben oder ob der Sohn des Verlagsleiters mal was ausprobieren wollte oder so. Man muss es den Heftmachern ja auch lassen: Mut hatten sie!

  9. Evil sagt:

    Es war nicht einmal „Shiny’s Tür“, sondern „Shiny´s“ — sprich es wurde ein Akut-Akzent anstelle eines Apostroph genutzt.

    *ähm*

    *Thema wechsel*

    Mich würden mal die Hintergründe interessieren, ob da einfach nur ein paar Schreibsöldner ein Heft schlecht ins Deutsche übersetzt haben oder ob der Sohn des Verlagsleiters mal was ausprobieren wollte oder so.

    Eine Redaktion ist nicht wirklich angegeben im Impressum. Man bedankt sich unter anderem dafür, einige Auszüge aus der Online-Today verwenden zu dürfen.

    Es gibt mit „101% Nintendo 64“ noch ein weiteres Heft der „Konsolen Szene“-Macher. Ist von der Thematik her eigentlich genauso aufgebaut; hab’s bloß irgendwo untergegraben.

  10. Gala. sagt:

    ah, sehr geil! Dachte grad es gibt ein neues Heft. DAnn dachte ich, wow ein Retro Heft.. dann kam die Erleuchtung..

    Hey um halb 5 Uhr morgens darf man mal auf der Leitung stehen ^^

  11. Diskutant sagt:

    Und ich dachte ich wäre der einzige der sich dieses Heft damals gekauft hat. 😀
    Hätte mich ja schon interessiert was die in den folgenden Heften abgedruckt hätten.
    Warum kam eigentlich kein Folgeheft? Hat sich das erste nicht verkauft oder haben die Ärger mit der Industrie bekommen?

  12. Torsten sagt:

    Abgesehen davon, dass das Heft Kappes war, ist es tatsächlich schade, dass über Themen wie Emulatoren und Abandonware praktisch nicht berichtet werden darf. Hier muss die Presse einen nicht kleinen Anteil des Spieler-Alltags aufgrund der Gesetzeslage ausblenden.

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