Die einzig logische Konsequenz – fun generation
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Ein Text etwas abseits meiner üblichen Heftkritiken, etwas persönlicher und wohl ein ewiger Wunschtraum. Wurde vor einem Jahr als Leserbrief verfasst und erscheint hier in überarbeiteter Neuauflage 😉
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Im Mai 1999 bekam ich meine PlayStation und begann Videospielehefte zu lesen, genauer gesagt ein bestimmtes. Just in dem Monat brachte CyPress zum ersten Mal das O.P.M. heraus. Damals war ich 10 Jahre alt, blätterte mich durch alle sich am Kiosk befindlichen PlayStation-Hefte und entschied mich für das neue offizielle PlayStation-Magazin. Die zweite Demo-CD zur Heft(neu)einführung war für mich ausschlaggebend gewesen. Auch heute würde ich noch zu dieser Zeitschrift greifen, wenn auch aus anderen Gründen.
Ich hab den letzten Jahren viel gelesen, doch ich habe es noch immer nicht geschafft „meine“ O.P.M. 6/99 komplett von der ersten bis zur letzten Seite durchzulesen. Wer heute sich ein PlayStation-Heft am Kiosk kauft, hat es nach spätestens drei Stunden ausgelesen und wird es auch nicht wieder in die Hand nehmen, zu uninteressant geschrieben, zu schwach vom Inhalt.
Wie kam es dazu? Die „geliebte“ Marktforschung führte z.B. bei OPM2 zu einer riesengroßen Schrift, jeder Menge bunter Bildchen und extrem kurzen Texten. Dass das neue Heftkonzept nicht aufging, wissen wir. Zwar wurden am Ende noch vergleichsweise gute 50.000 Hefte abgesetzt, allerdings für ein offizielles PS2-Magazin viel zu wenig, angesichts der horrenden Lizenzkosten und der wenig prickelnden Anzeigensituation.
Ende 2002 fing ich an Videospielhefte zu sammeln und inzwischen hab ich eine ganz ordentliche Sammlung, auch wenn noch einige für mich interessante Hefte fehlen (Wer SegaPro, SuperPro, PC Power und Co. im guten und vollständigen Zustand hat, darf sich gerne bei mir melden ;)).
Ein Heft hat es mir dabei besonders angetan, die „fun generation“. Immer wieder mal nehme ich ein paar Ausgaben in die Hand und blättere drin. Im Nachhinein könnte ich viele Tränen darüber vergießen, dass ich dieses Heft nicht ab 11/99 gekauft habe. Überhaupt, ich habe es nie gekauft. Mein Blick war immer nur auf PlayStation gerichtet.
Im laufe der Jahre haben sich die Hefte stark verändert. Von den einzigartigen Freakheften mit einer verkauften Auflage von über 100.000 (laut IVW für play & O.P.M.) hin zum trüben Einheitsbrei, auf von einem Tief in das nächste. Charme suchte ich in den letzten Jahrgängen der play vergebens.
Ob mit „Abogeddon“ und der „USS play“ in die Zukunft, dem interessantesten Teil dieses Magazins „Was lange wärt, wird endlich gut -> O.P.M. – neu bei CyPress“ oder „des Rätsels Lösung, komm rein in die fun generation“, CyPress hatte immer recht geniale Ideen für Abo- und Eigenanzeigen. Was bekomm ich heute präsentiert? Das schnöde Heftcover mit ein bisschen langweiligem Werbetext – super, ganz toll. Die Zahl der Abonnenten nahm immer weiter ab – mittlerweile sind die Abo-Anzeigen stinklangweilig und werden einfach überblättert. Die Cyan/Magenta Kombination der fun generation konnte man nicht übersehen, egal wie sehr man sich angestrengt hat.
Das OPM2 für junge Casualgamer und weibliche Spieler war ein Reinfall. play und PlayZone stritten sich jedes Quartal ums neue, wer mehr Käufer bei den IVW-Zahlen verloren hat. Konsequnez? CyPress stampfte seine beiden PlayStation-Hefte ein um play³ zu schaffen, die zwar alles anders, aber kaum etwas besser macht.
Wenn man sich die Verkaufszahlen anguckt fällt eines auf. Auch wenn die GamePro große Verluste hinnehmen musste, führt sie bei den Konsolentiteln ohne PC-Anteil doch deutlich. Nach dem alle Multiformat-Konsolenhefte bis auf die MAN!AC im Jahre 2000 hopps gingen, wagte man bei IDG 2002 den Schritt ein neues Heft dieses Genres zu machen und das, obwohl es für die MAN!AC weniger gut lief.
Doch man hatte die zu dem Zeitpunkt bei Konsolenheften noch recht unverbrauchte Idee eine DVD beizulegen. OK, so neu war sie auch nicht, eine Heft-DVD mit Videos gab es sich doch schon eine ganze Weile bei der PlayZone. Doch mit dem lockeren Stil fand man im Bereich Multiformat scheinbar eine Marktlücke. Das Ergebnis konnte sich sehen lassen: Als einziges Heft hatte die GamePro steigende Verkaufs- und Abonnentenzahlen, als einziges Konsolenheft der letzten Jahre mehr als 10.000 Abonnenten und was man lange Zeit für unmöglich hielt, man stieß das OPM2 von seinem Marktführerthron.
Sind Multiformatmagazine ein totes Genre? Wohl kaum, denn die GamePro bewies das Gegenteil. Gut, Mitte 2003 versuchte sich CyPress auch wieder an einem, allerdings mit PC und ohne allem, was ein klassisches Heft ausmachte. Mit einem Preis von nur einem Euro und 250.000 Druckauflage wurde die Video Games Aktuell gestartet. Erfolgreich? Mehr oder weniger. Trotz des Dumpingpreises konnte man wohl nicht genug Käufer erreichen. Die CD mit Vollversion kam, Heft kostet 1,99. Der Abwärtstrend war wohl fürs erste gestoppt. Es kamen mehr Seiten, verändertes Coverdesign und schließlich eine DVD. Inzwischen liegt der Preis bei 2,99 und man setzt 50.000 Hefte ab. Rund doppelt so viel, wie die letzten play-Ausgaben. Die anvisierten „Massenmarktzahlen“ erreichte man wohl nie und wird es auch nicht.
Was in der heutigen Magazinlandschaft fehlt ist ein Heft mit Herz und Seele – eine fun generation. Auch wenn ich mich gegen die ganzen Heftbeilagen eigentlich wehre, eine gut gemachte DVD würde ich nicht ablehnen. Klar, auch mit dem üblichen Schnickschnack News, Previews und Tests, aber auch mit Reportagen und Specials, die man in gedruckten Bildern kaum umsetzen kann. Was sagen z. B. ein paar Standbilder über die Entwicklung der Bestias bei Final Fantasy aus? Nicht viel. Tipps zu frustigen Endgegner sind schön und gut, aber wäre es nicht einfacher in der Praxis zu sehen, wie man das Problem aus der Welt schafft?
Wenn man sich das Layout der 2000er fun generation-Hefte anguckt, könnte man optisch bis auf den Wertungskasten auch sieben Jahre später fast alles noch ohne Einschränkungen verwenden. Vielleicht war das der Fehler des letzten fun generation-Konzepts – sie war ihrer Zeit wohl ein Stückchen zu weit voraus.
Das Layout klar strukturiert, übersichtlich, verspielt, ansprechend und schlicht aber gleichzeitig nicht langweilig oder zu farbarm. Alle Artikel hatten eine nette Aufmachung, wodurch sie nicht trist erschienen, einen aber auch nicht mit ihrer Farbpracht erschlagen.
Mir gefällt es noch immer, obwohl ich eher auf extrem bunte Dinge wie die CVG stehe und die „fun“ eigentlich gar nicht meine optischen Vorlieben wiederspiegelt.
Unvergessen sind die Leserbriefseiten: Ein Brief von einem Ex-Redakteur, wo gibt’s denn so was? Wirft man einen Blick in die heutigen Leserforen oder wie sich die Seiten inzwischen schimpfen, es ist fast ausschließlich stumpfes beantworten der immergleichen Fragen „was ist NTSC?, wann erscheint Spiel XYZ, was könnt ihr mir über sowieso sagen?“. Das kann man sich schenken, dafür ist der knappe Platz doch viel zu kostbar.
Bleibt zu letzt noch das Wertungssystem:
Spielspaß lässt sich nicht in Prozenten/im 100er System messen – die Pseudogenauigkeit nützt keinem was, ist die zweite Ziffer doch fast immer nur der persönliche Geschmack des Testers.
Sicher folgt nun der Einwurf: „Wir würden ja gerne, aber der Markt fordert nun mal das Prozentsystem“.
Nunja, störte sich bei CyPress jemand von der Verlagsgründung 1995 bis zum Mai 2000 daran? Nein. Fuhr man damit schlecht? Nein, man war im Sektor der unabhängigen PlayStation-Magazine Marktführer. Wurden die Verkaufszahlen mit dem Wechsel des Wertungssystem besser? Nein – na so ein Zufall.
Vielleicht kennt hier jemand den Slogan des Heftes Neon, „Eigentlich sollten wir erwachsen werden“. Ich möchte kein Heft, welches mich wie ein Kleinkind behandelt, ich will ernst genommen werden. Ich will keine Fachliteratur, ich möchte lediglich umfassend, aber unterhaltsam informiert werden.
Ist es zu viel verlangt eine gut geschriebene, niveauvolle Berichterstattung über sein liebstes Hobby haben zu wollen? Ohne den ganzen Lifestylerotz und ohne übertriebenen Designanspruch bestimmter „Elitehefte“.
Das einzige Heft, welches für mich all diese Aspekte vereinen konnte und wirklich existierte?
fun generation.
Es gibt nichts mehr, was auch nur annähernd vergleichbar auf dem Markt wäre. Es ist ein Loch, welches gefüllt werden möchte – eine Lücke/Nische, die groß genug ist um drin überleben zu können. Drum gebt ihr eine zweite Chance, ready for fun?
Amen!
Ich war Leser der FG seit dem ersten Heft und blieb es bis zum ersten Konzeptwechsel. Als ich dann später den zweiten Konzeptwechsel bemerkte, war es aber schon zu spät, kurz darauf wurde sie eingestellt.
Sie war ganz klar das beste Multi-Mag, das ich kenne. Ich würde ein solches Magazin sofort wieder Abonnieren.
Erst jetzt diesen mega unterhaltsamen Podcast entdeckt: https://www.spielejournalist.de/2021/12/24/fun-generation-simon-kraetschmer-folge-44/
Unfassbar, wie irrsinnig es damals so lang ging in der Spielepresseverlagsbranche.
Ein Chefredakteur ohne Führerschein, den seine Redakteure abholen und heimbringen müssen? Eine Freundin, die als Cover-Weihnachtsfee vergattert wird? Das ist alles so absurd, das kann man sich nicht ausdenken.:-)
Ich habe mir mal die Hefte nach dem Bannert-Versuch geladen. Also nee, das sind quasi nur noch News und Tests, mit der Maniac wohl kaum auf einer Qualitätsstufe.