Vollversionen in Spieleheften – Chroniken eines Dramas

Die erste Vollversionsinvasion ging vermutlich auf das Jahr 1996 zurück. Der „PC Joker“ sollte sich einem Totalerelaunch unterziehen und kam als „PC Joker Heft & Spiel“ zum Preis von DM 7,50 zurück. Nebenbei erschienen PC Player Super Plus, PC Games Plus und PC Action Plus. Die Ausgaben waren mit DM 16,80 bis 19,80 Schweineteuer – wer eine Vollversion wollte, musste den doppelten Heftpreis blechen. Vom Joker mal abgesehen alles halb so wild.

1999 wurden PC Player SuperPlus und PC Action Plus eingestampft und in die Haupthefte integriert, sprich die Vollversion gab es nun zum normalen Heftpreis. Man hätte meinen können, nun würde ein Wettrüsten losgetreten werden, doch die beiden großen der Branche GameStar und PC Games behielten einen kühlen Kopf und verschenkten Spiele nur zum Geburtstag. Axel Springers mit der Ausgabe 12/1999 eingeführte Computer Bild Spiele mit regelmäßiger Vollversion sollte vorerst keine Rolle spielen.

Ende 2000 verstarb mit dem PC Joker (Heft & Spiel war nach dem Relaunch kaum noch zu sehen) das wohl beste Spieleheft. Auf wundersame Weise verschwanden die Vollversionen aus der PC Action, PC Games Plus gab es nur noch im Abo und PC Player musste auch abdanken.

Der Markt kuriert? Leider nein. Bereits ein knappes Jahr später legte die Screenfun zweimonatlich eine CD mit Vollversion bei, doch noch gab es keinen Grund zur Sorge. Der sollte erst 2003 kommen, als die CD dann jeden Monat beilag. Die Auflagen der gesamten Spielepresse bröckelten und Computec erlag dem süßen Gift der Verführung. Ab Mitte des Jahres war jede Ausgabe von PC Action und PC Games mit einer Vollversion ausgerüstet.

Möge das Drama seinen Lauf nehmen
Von 2004 an lag nun auch jeder GameStar ein Spiel bei. Weil die Vollversionen so toll funktionieren und CyPress’ Multiformater „Video Games Aktuell“ eher unter Erwartungen lief, kam dort ab Mai auch regelmäßig ein Spiel auf CD. Inzwischen hat man die Käufer hervorragend an die nicht ganz so neue Droge gewöhnt und so entschied man sich im Hause Axel Springer die CBS von der Septemberausgabe an mit DVD auszustatten. Für EUR 3,60 gab es von nun an zwei Spiele.

Der ruinöse Wettkampf beginnt
Auch diese Situation wäre zu meistern gewesen – wäre. CyPress wollte nun auch ein Stückchen vom PC-Spiele-Magazin-Kuchen abhaben. PC PowerPlay geht mit knapp 200 Seiten, DVD inkl. Spielvollversion zum Dumpingpreis von EUR 2,99 an den Start.

PC Games begrüßt den Neuen mit der Über-VV Diablo 2, bei der PCA gibt es zwei Spiele und der „Spielestern“ haut sogar 5 Titel raus. Der Angriff hat mehr oder weniger funktioniert, die PC PowerPlay kratzt nicht mal an der 150.000 Marke. Enttäuscht von den Zahlen wird der PCPP Preis um 61 Cent auf 3,60 angehoben, dafür gibt es von nun an jeden Monat zwei Spiele. Diese haben sich mittlerweile zum Standard etabliert.

Sie sorgen nicht mehr dafür, dass die Auflage steigt, sonder nur weniger stark fällt. Da hat der Verlag natürlich nichts von, zumal die Spielchen gerne einen fünf bis sechsstelligen Eurobetrag verschlingen. Solange die Konkurrenz Vollversionen anbietet kann man selbst auch nicht drauf verzichte, was nun? Genau, man geht den einzig logischen Schritt und setzt sich zusammen. 2006 testen Computec, CyPress und IDG gemeinsam die Verkäufe ihrer Hefte ohne Spiele – über drei Monate in drei deutschen Städten. Allerdings nur in der Theorie, die GameStar macht nach einer Ausgabe bereits einen Rückzieher. Außerdem droht neuer Ärger, wie sollte es anders sein, wieder von den BILDungsresistenten. CBS Gold, jetzt mit 2DVDs und noch mehr Vollversionen.

Inzwischen ist auch ein Punkt erreicht, an dem die Verlage finanziell nicht mehr können. Die Auflagen purzeln munter vor sich hin, die Anzeigensituation sieht teilweise miserabel aus und der Markt ist durch die Vollversionsschlachten abgegrast. Neue Spiele gehören zwar nicht komplett der Vergangenheit an, aber es wird munter vor sich hin recycelt. Auch wandern Spiele auf die Disc, die mit weniger als 50% Spielspaß in den Tests gnadenlos durchfielen.

2007 – Neues Jahr, neues Glück?
Leider nein, zwar trennt man sich im Hause PC PowerPlay heimlich, still und leise von den Vollversionen, wohl aber eher weil kein Geld mehr da ist als aus freiwilligem „wir verzichten drauf“. Die Auflage der PCPP ist dramatisch zusammengeschrumpft, im selben Schritt wurde die Redaktion verkleinert und der Heftumfang reduziert.

Gerade schweift mein Blick über einen Foreneintrag. Die nur noch 148 Seiten dünne PC Action kostet ab der Juli-Ausgabe EUR 5,30. Öhm ja, wir haben zwar erst Mai, aber sei’s drum. Wie es so schön heißt, um das Fortbestehen des Heftes sichern zu war es leider nötig den Preis um 31 Cent anzuheben.

Ich schau weiter aufs Cover: „5 Vollversionen“.

Klasse, ihr habt verstanden, in was man die Heftpreiserhöhung am besten investiert…

3 Antworten zu „Vollversionen in Spieleheften – Chroniken eines Dramas“

  1. Ninja7 sagt:

    Anlääsllich des „rein privaten“ Treffens von Springer und Computec Managern erlaube ich mir eine kleine Ergänzung:

    http://www.openpr.de/news/11099/COMPUTER-BILD-SPIELE-gewinnt-im-Rechtsstreit-mit-Computec-Media-AG.html

    Ausgerechnet Vollversionspionier Computec hat im Jahr 2001 Computerbild Spiele wegen der hochkarätigen CBS Vollversion Tomb Raider 2 (behaupteter Wert der Spielezugabe DM 100-)erfolglos geklagt. Vorwurf – Verstoß gegen das (mittlerweile aufgehobene) Zugabeverbot im UWG.

    „Gegenstand ist die nach Auffassung des Unternehmens wettbewerbs- und sittenwidrige Kopplung von Zeitschriften mit kompletten Spielen (…). Das Magazin Computer-Bild Spiele fügt jeder Ausgabe seiner nur 4,80 Mark billigen Zeitschrift vollständige PC-Spiele bei, die im Handel für bis zu 100 Mark angeboten werden.“

    Rechtsanwalt Gerhard Barth hat heute am Landgericht München im Auftrag der Computec eine entsprechende Klage eingereicht. „Kunden werden in übertriebener Weise angelockt“, erklärte Barth in einer Stellungnahme. Es gehe nicht mehr um den Kauf des Magazins, sondern um das Verschenken der Vollversion.“

    Nach diesem entscheidenden Wendepunkt begann das Vollversions-Wettrüsten…

    Der Springer Verlag („Bild“) ist so mächtig, dass er mittels Lobbying (offiziel vom VDZ) gegenüber der Politik den reduzierten Mehrwertssteuersatz für Zeitschriften – statt der geplanten höheren vollen MwSt für die Kombination Zeitschrift/Vollversion bzw Film – durchgesetzt hat.
    http://www.golem.de/0211/22698.html

  2. Indy sagt:

    Naja ich findes eh schade, dass man inzwischen echt coole Games in irgendeiner Zeitung kriegt. Da verliert das ganze doch seinen Reiz, findet ihr nicht?

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