Archiv für Januar 2009

Es war einmal… Konsolen Szene

Es ist nicht immer ganz einfach für einen Außenstehenden nachzuvollziehen, was im Kopf eines Verlagsleiters vorgeht. Manchmal müssen sich die entsprechende Personen jedoch die Frage gefallen lassen, welche bewusstseinserweiternden Substanzen sie konsumiert haben – so auch im Fall der „Konsolen Szene“.

Das Cover sieht, mit Ausnahme des kleinen Bildes mit der Beschriftung „Unter der Lupe: Kopierstationen“ noch ganz gewöhnlich aus. Ein Blick auf die erste Anzeige des 68seitigen Magazins und das Editorial lassen gleich zu beginn tief blicken – bis nach Hongkong.

… und die Konsolenwelt dreht sich weiter !!!

Mit unserer Erstausgabe der Konsolen Szene setzen wir den Startschuß zu etwas neuem, wir werden euch in die Videospiele Szene entführen. Unser junges Team ist seit jeher von der Videospiele- und Konsolenwelt fasziniert und hat etliche Stunden vor dem Flimmerkasten verbracht. In einem Moment der Unbeherrschtheit über firmenpolitische Falschmeldungen in verschiedenen Videospielzeitschriften haben wir uns dazu entschlossen, manche Dinge in der Videospielszene auf den Punkt zu bringen, und allen Videospielfans ein vollkommen unabhängiges Magazin anzubieten. Wir berichten für euch unabhängig über alle Themen und Neuheiten der Videospiele Welt. Wir nehmen im Gegensatz zu allen anderen Videospielmagazinen keine Rücksicht auf die internen Marktpolitiken der verschiedenen Hersteller. Deshalb liegt uns auch daran gewisse Themen nicht einfach zu ignorieren, oder diese einfach kurz und uninformativ abzuwerten. Denn schließlich würde es die Videospielewelt in ihrem heutigen Dasein ohne euch nicht geben!

Viel Spaß beim lesen!

Inhaltlicher Nonsens…

Wir tun etwas, was es noch nie zuvor gegeben hat und setzen den Startschuss zu einem völlig neuen Magazin. Nur wir haben die Weisheit mit Löffeln gefressen, sind wirklich unabhängig, bringen manches auf den Punkt, vieles aber auch nicht und sorgen dafür, dass die Sonne immer scheint.

Nebenbei scheißen wir auf sämtliche Regeln der alten und neuen Rechtschreibung, denn wir sind so unabhängig, dass wir unsere eigene Schreibweise erschaffen haben!!!

Direkt neben dem katastrophalen Editorial erstrahlt eine Anzeige zu einer N64-Modul-Kopierstation und gibt einen guten Einblick auf den weiteren Heftinhalt.

Zu Beginn gibt man sich mit Inhaltsverzeichnis und Newsflash ganz klassisch und beweist nebenbei, dass farbige Hintergrundmotive schon immer mit Vorsicht zu genießen waren. Weiße Schrift kann man am dunklen, unteren Rand zwar gut lesen, auf dem gelben Auge des Glubschviehs wird der Versuch die News zu entziffern zu einem Kraftakt.

Auch der Bericht über Earthworm Jim ist von „Sega´s eigenem Magazin“, „Shiny´s Tür“ und „Interplay´s Wahl“ abgesehen, nicht die vollständige Katastrophe. Interessanter wird’s hingegen bei dem Artikel „PlayStation Generation“. In diesem wird schnell der Ursprung der Abkürzung PSX erklärt, bevor man dazu übergeht den Wechseltrick für Importspiele, Sonys neue PlayStation-Baureihe und den „Superchip“ vorzustellen. Mit dem „Superchip“ kann man „Originalspiele, sowie alle Sicherheitskopien abspielen, welche man auf jedem PC mit eingebautem CD-Brenner erstellen kann“. Eine Schnelleinbauanleitung ohne Bilder gibt es ebenfalls. Völlig ohne Zusammenhang ist in die journalistische Nichtleistung ein MDK-Artwork eingebaut.

Zwischendurch wird auch über die Umsetzung des „Action Hit’s“ Forsaken fürs N64 berichtet und man erfährt, dass der Autor des Artikels vor kurzem das Spiel noch auf „Sony´s Traumkonsole“ zockte und diese leider ihre Grenzen erreicht hat.

Man hat eben ein Herz für den „3D-Shooter Fan“, nein „3D Shooter Fans“ *arg* nun hab ich’s, „3D-Shooter“.

… und rechtliche Grauzonen

Wem das Prozentsystem der heutigen Spielemagazine immer noch zu ungenau ist, die Entscheidung zwischen 80% und 81% ist ja wirklich schwer, wäre mit Konsolen Szene glücklich geworden.

Das Herzstück des Heftes, der elfseitige Bericht über die N64-Modulkopierstationen, kürt System Nr. 1 mit 92,5% zum Testsieger. System Nr. 2 bekommt lediglich 56,7% und System Nr. 3 nur noch 55% – die Namen schenke ich mir an dieser Stelle.

Alle Geräte werden ausführlich vorgestellt und ihre Bedienung erklärt. Ein Gerät kann sogar „MPEG Video CD’s“ abspielen. Die Bedienung eines anderen sei allgemein aber eher kompliziert und manche Funktionen nur für „Programmiererfreek’s“ verwendbar.

Der nächste Artikel handelt kurz, knapp und ungenügend über „Video Games @ World Wide Web“. Nebenbei hat man gerade vergessen, dass man seine Leser seit dem Editorial eigentlich duzt und entscheidet sich lieber fürs „sie“, selbstverständlich kleingeschrieben. Nebenbei kommt man zum Schluss, dass die Webseiten von Sega, Nintendo und PlayStation nicht informativ sind, die Konsolenseite des Herausgebers dieser Zeitschrift aber der Gral der Erleuchtung sei.

Zur Abwechslung ist mal wieder ein nichtssagender Bericht über ein Spiel dran (Blue Stinger), bevor es nach dem Poster zur „Babewatch-Wahl“ geht. Weiter im Programm über den Sprung von Pixelhelden in die Realität, wie z. B. Laras Sprung in ein Ärzte-Video.

Hübsch ist auch die „Spielvorstellung“ zu Ridge Racer Type 4. Die „Rennsimulation“ bekomme durch Echtzeitbeleuchtung ein extrem realistisches Fahrgefühl. Fahrzeuge blieben zwar weiterhin unkaputtbar, dafür würden sämtliche Unfallsequenzen neu gestaltet. Zur Aufhübschung des Artikels wird ein vom Fernseher abfotografiertes Bild und ein Foto von Namcos Messestand gezeigt.

Nach so viel Einsatz in Sachen Vorschau und Kaufberatung ist dringend wieder ein Kapitel für Leute ohne Kleingeld nötig, kurz um, es geht um „Emu´s“. Wie es rechtlich für deren Programmierer aussieht, solle im Artikel unerwähnt bleiben, interessant sei eh nur die Verwendung des „Emu´s“ zum Spielen. Vor allem von Nintendo „Emu´s“. Ach, und beachten „sie“, die Redaktion könne keine Auskunft über Rom-Seiten geben.

Neun Seiten später philosophiert man darüber, ob ein PlayStation-Emulator für Windows Konkurrenz für Net Yaroze sei und stellt eine lustige Vergleichstabelle zwischen N64, PlayStation 2, Dreamcast und Project X auf, wo man irgendwelche Werte errät, die Tabellenzelle mit „geheim“ ausfüllt oder sie gleich vergisst mit Inhalt zu befüllen.

Schwerpunkte setzen ist wichtig, also noch schnell drei Seiten zu einem CD-Duplicator, mit dem man „CD’s“ ohne Einsatz von „PC’s“ vervielfältigen kann.
Bevor man noch ein paar Bilder sieht, wie sich ein Grafiker im Jahre 98 die PS2 vorstellte, verreißt man noch mal Off-Road Challenge fürs N64. Das Angebotene stehe in keinem Verhältnis zum Preis und eigentlich müsse das Spiel gratis angeboten werden – so schließt sich dann der Kreis…

Daten und Fakten:

Start: 11.11.1998
Erstausgabe: 01/1999
Finalausgabe: 01/1999
Ausgaben gesamt: #1
Verlag: ART Medienverlag (Austria)
Segment: Multiformat-Magazin
Erscheinungsweise: vierteljährlich
Copy-Preis: DM 3,90 (€ 1,99)