In Kürze startet mit dem gedruckten Elektrospieler ein neues Multiformat-Magazin. Chefredakteur Robert Bannert war so gut für das Magaziniac.Blog ein paar Fragen zu beantworten.
Evil:
Moin, moin Robert! Schwierige Zeiten für Gedrucktes dieser Tage, wie war es möglich, gerade jetzt einen Verleger davon zu überzeugen, ein neues Videospielmagazin herauszugeben?
Robert Bannert:
Das war nicht weiter schwer, weil der Verleger Enno Coners und ich sehr ähnliche Anforderungen an Print-Medien stellen und so ziemlich die selbe Vorstellung davon haben, wie ein ambitioniertes Magazin-Projekt auszusehen hat. Hinzu kam natürlich der Wunsch des Verlegers, neben der „Retro“ noch ein zweites Magazin zu verlegen – und der „elektrospieler“ ist durch die PDF-Ausgabe immerhin schon eine halbwegs bekannte Marke … zumindest bei den Core-Gamern. Und die wollen wir ja auch mit der Print-Ausgabe erreichen.
Evil:
Ich fall gleich mit der Tür ins Haus: Ist der Anzeigenmarkt gänzlich tot? € 6,90 für ein etwa 90seitiges Heft wirken auf mich ein kleines bisschen sehr ambitioniert, lässt sich eine Videospielzeitschrift heute nicht mehr über Anzeigen-, sondern nur noch über Kioskerlöse finanzieren und vor allem, wodurch soll sich dieser vergleichsweise hohe Heftpreis rechtfertigen?
Robert Bannert:
Der Anzeigenmarkt ist sicher (noch) schwieriger geworden, aber tatsächlich haben uns bereits einige Hersteller ihr Vertrauen ausgesprochen, indem sie bei der Startausgabe gebucht haben. Wer bei uns bucht, dem geht es natürlich auch nicht in erster Linie darum, die breite Masse, sondern die Gruppe der Opinion-Leader zu erreichen und sein Produkt in einem Prestige-Objekt zu platzieren. Denn genau das solle der gedruckte elektrospieler sein. Entsprechend sind unsere Anzeigenpreise sehr erschwinglich – wer bei uns bucht, der läuft wirklich keine Gefahr, sein Budget zu strapazieren. Und was den Heftpreis angeht: Unser Magazin kommt mit einer Ausstattung, auf die so manches Comic-Album neidisch wäre – wir werden ein sehr hochwertiges Produkt bieten. Die Print-Ausgabe soll kein Magazin im herkömmlichen Sinne, sondern ein Sammler- und Liebhaber-Objekt sein – mit großformatigen Artworks und hohem ästhetischen Anspruch, das man sich gerne ins Regal stellt. Klebebindung, Papier mit 1,1fachem Volumen und starker Karton als Einband – ich denke, das spricht für sich. Vergleichst Du diese Ausstattung und Verarbeitung mit der von Szene-Magazinen aus den Bereichen Manga, Anime oder Schwarze Szene bzw. deren Preisen, dann sind 6,90 sicher nicht zu hoch gegriffen. Ein Comic-Album mit 40 bis 50 Seiten kostet bei ähnlicher Verarbeitung elf oder zwölf Euro.
Evil:
Elektrospieler wird vom CSW-Verlag herausgegeben, bei dem nun eine ganze Weile bereits Retro erscheint. Bei Retro hab ich allerdings das Problem, dass ich sie nur im Onlineshop des Verlags bekomme oder an größeren Bahnhöfen. Wie wird das beim Elektrospieler gelöst sein, normaler Kioskvertrieb oder nur Direktbezug und Bahnhofsbuchhandel? Mit welcher Auflage werdet ihr an den Start gehen?
Robert Bannert:
Wir starten mit einer für unser Segment recht stattlichen Auflage von 20.000 gedruckten Exemplaren. Natürlich greift der Verleger auf die durch die „Retro“ bewährten und etablierten Vertriebsstrukturen zurück, aber letztlich wird erst die Zeit zeigen, wo das Magazin am besten platziert ist – so was dauert einfach seine Zeit. Unsere Druckauflage ist sicher nicht hoch genug, um sämtliche Kioske zu bedienen – aber das wäre ja auch gar nicht sinnvoll. Viele große bis mittelgroße Publikationen werden unglaublich weit (und dabei teilweise sehr wahllos) gestreut. Das Ergebnis: Da werden Ausgabe für Ausgabe tonnenweise kostbare Hefte vernichtet – und das häufig, ohne dass der Verlag eigentlich so recht weiß, was der Vertrieb genau tut. Enno Coners vertreibt seine Publikationen selber und bedient sich einer sehr cleveren Misch-Kalkulation mit den unterschiedlichsten Outlet-Gattungen. Dabei setzt er sich so sehr für die bestmögliche Platzierung seiner Magazine und Bücher ein, wie es ein großer Vertriebs-Moloch niemals tun würde. Da bist Du nur eines von vielen, vielen, vielen Produkten – und schlimmstenfalls werden Deine Magazine an Grossisten geliefert, die sie buchstäblich in die Tonne treten. Das wollen wir unbedingt vermeiden.
Evil:
Du hast über Twitter verlauten lassen, dass im gedrucktem Elektrospieler eher Reportagen, Interviews, Bildstrecken und ähnliches zu finden sein sollen und der Schwerpunkt nicht so sehr auf „zeitsensiblen“ Themen, wie Tests und Previews liegen sollen. Dazu fallen mir zweierlei Dinge ein: 1. Reportagen, Interviews und großformatige Bilder bekomm ich auch in der GEE. Abgesehen davon, dass es natürlich immer schön ist, mehrere Meinungen zu einem Thema zu bekommen, aber wozu braucht es noch ein weiteres Heft, welches in die Richtung schlägt? Was unterscheidet euch von einer GEE, was setzt euch ab?
Robert Bannert:
Da könnte ich Dich genauso gut fragen: Wer braucht noch ein Magazin, dass schwerpunktmäßig Testberichte und Previews bringt? Die gibt es bereits wie Sand am Meer, aber ein ordentlich geschriebenes, kompetent recherchiertes und visuell anspruchsvolles Objekt, das sich vor allem den Hintergründen und den Abbildungen widmet – das kann der Markt sicher noch vertragen. Ich mag die „GEE“ – und sie hat einige mutige Schritte getan, aber wir möchten noch weiter gehen und ‚noch mutiger‘ sein. Ob uns das gelingt, das wird sich zeigen – wir arbeiten jedenfalls mit Herzblut daran. Es wird kaum zu umgehen sein, dass wir dabei auch etwas ‚herumexperimentieren‘ müssen und vielleicht nicht jedes dieser Experimente gleich gut ankommen wird, aber das bringt Pioniersarbeit eben so mit sich. Wir werden kein Mainstream-Produkt abliefern – und ich weiß, dass es da draußen jede Menge Leute gibt, die auf genau so etwas warten. Jetzt müssen wir sie nur noch erreichen bzw. müssen sie uns finden. 😉
Evil:
2. Bei solchen Themenschwerpunkten fühle ich mich unweigerlich auch an deine fun.generation-Zeit mit Titelstorys wie „Vom Pixel zum Polygon“ u. ä. zurückerinnert. Das Konzept hat damals nicht funktioniert und war bereits nach einem halben Jahr wieder Geschichte. Gut, das ist mittlerweile auch zehn Jahre her und seit dem hat sich viel geändert, später wurde mit [ple:] (Slogan: Computer- und Videospielkultur) in einem kleinen Rahmen versucht das Feld zu beackern, auch das hat leider nicht funktioniert. Da mir Print sehr am Herzen liegt, male ich nur ungerne schwarz, aber soll bzw. läuft dieses Mal anders, damit es dann auch hoffentlich klappt?
Robert Bannert:
Wer glaubt, die fun.generation wäre verschwunden, weil wir uns darum bemüht haben, ein anspruchsvolles Heft abzuliefern, der irrt. Zu einem Erfolg oder Misserfolg gehören außer der Redaktion und Heftqualität noch viele andere Faktoren. Die Annahme, dass sich Qualität zwangsläufig durchsetzt, ist ebenso großer Blödsinn wie die gegenteilige These, dass die Masse blöd ist und nur Schrott will. Entscheidend ist, ob ein Produkt zur richtigen Zeit kommt, von den richtigen Leute auf die richtige Weise verteilt wird und Liebhaber findet. Marketing-Generäle glauben häufig, sie könnten eine Niederlage vermeiden, wenn sie erst nach ausgiebiger Befragung ihrer Marktforschungs-Berater zum Angriff blasen. Aber das ist Unsinn. Die Etablierung und das ‚Finden von Fans‘ sind organische und kaum planbare Prozesse. Letztlich muss man als ‚Macher‘ einfach das durchziehen, was man für richtig hält und hoffen, dass es klappt. Im Übrigen lief die ‚anspruchsvolle‘ fun.generation auch nicht schlechter als kurz zuvor mit dem vorangegangenen Konzept. Ein Problem war, dass damals bei CyPress zu viele Köche den Brei verdorben haben, jeder schlau mitreden und im Konzept rumfuhrwerken wollte. Lief etwas nicht sofort wie erhofft, dann wurde sofort verändert und hektisch geändert. Klüger wäre es gewesen, ein neues Konzept reifen und sich etablieren zu lassen – aber stattdessen wurde das Magazin schlicht um Opfer von internem Macht-Gerangel und Kompetenz-Streitigkeiten, auf die ich als Chefredakteur und Angestellter keinerlei Einfluss hatte. Außerdem hat das Heft niemals so ausgesehen, wie ich es eigentlich habe wollte. Es ging zwar in die richtige Richtung, aber letztlich war es ein einziger großer, fauler Kompromiss voller Zugeständnisse an alle Beteiligten auf jeder Ebene. Davon abgesehen habe ich mich natürlich auch selber weiter entwickelt: Sowohl als Chefredakteur und Journalist wie auch als Grafiker kann ich heute sicher das sehr viel bessere und reifere Produkt abliefern. Davon abgesehen ist der Vergleich vermutlich nicht mal allzu angebracht, weil sich elektrospieler ja nicht nur auf die Berichte, sondern vor allem die schönen, großen Grafiken stützt. Welche Philosophie dahinter steckt, das kann man übrigens im Editorial nachlesen, das bereits jetzt in der Leseprobe auf elektrospieler.de zu finden ist.
Evil:
Gerade bei den „Big Playern“ auf dem hiesigen Markt stelle ich immer wieder fest, dass die Magazine doch sehr stark durch die Onlineauftritte kannibalisiert werden. Da steht häufig schon das halbe Heft zum Abruf bereit, noch bevor es überhaupt bei den Abonnenten liegt. Wenn das Elektrospieler-PDF weiterhin erscheint, besteht nicht die Gefahr, dass auch hier dien Inhalte zwischen den Medien (Print und PDF) hin- und hergeschoben werden?
Robert Bannert:
Winnie und Boris haben hierzu in den entsprechenden Interviews auf elektrospieler.de sehr interessante Kommentare abgegeben. Winnie glaubt, dass hierzulande generell der Fehler begangen wird, dass Online- und Print-Auftritte zu asynchron behandelt werden, Boris wiederum hat betont, wie wichtig es ist, eine eigene Richtung zu finden und etwas Neues zu machen. Sicher haben beide Recht. Mal ehrlich: Wer braucht heutzutage das x-te Heft voller Tests und Previews, also mit dem Schwerpunkt auf Aktuell-Themen, wenn er das alles schon umsonst im Netz findet? Darum wollen wir versuchen, die Aktuell-Themen künftig schwerpunktmäßig auf der Seite bzw. im PDF-Magazin zu behandeln, während wir in der Print-Ausgabe Specials, Artwork-Galerien und ähnliches zelebrieren … Dinge, die man in der Form nirgendwo im Netz findet… vor allem nicht so hochwertig präsentiert. Aber letztlich wird sich auch das mit der Zeit finden und von den Lesern mitentschieden werden. Aktuell planen wir, viermal im Jahr eine Druckausgabe zu bringen und dazwischen jeweils ein PDF. Das sollen zwei völlig unterschiedliche Objekte mit eigenständigen Beiträgen werden.
Evil:
Wie der digitale Elektrospieler ausschaut, kann sich jeder ansehen. Um auf der Lesbarkeit einen Gefallen zu tun, ist er auf dem Bildschirm im Querformat gestaltet. Ich kann mir nicht so recht vorstellen, wie man das Layout ins Hochformat übertragen kann, damit es „printgerecht“ ist. Muss das Layout für die Zeitschrift komplett neu aufgebaut werden oder ließen sich Teile der PDF-Optik übernehmen? Generell sind mit dem Kioskverkauf einige Eigenheiten verbunden, das „Schrei-Cover“ gehört zum Beispiel mit dazu. Inwieweit müsst ihr diesem Zwang nachgeben, gibt es bei der Gestaltung Dinge, die ihr im PDF machen könnt, bei denen der Verleger aber sagt „das könnt ihr gedruckt nicht machen“?
Robert Bannert:
Dass die Fans nicht alle ein ‚Schrei-Cover‘ wollen, das hat die Abo-Ausgabe der „M! Games“ eindrucksvoll bewiesen, denn die verzichtet ja auf jeglichen Text-Ballast. Das ist auch die einzig richtige Entscheidung. Spieler sind Grafik-geil – und wollen auf bzw. in ihrem Magazin schöne große Motive sehen … und keine Katalog-Optik oder Marktschreier-Schlagzeilen. Wer am Kiosk ein Magazin sieht, das ihm optisch gefällt und interessant erscheint, dann greift er zu und blättert es durch. Diese These, dass zwischen diesem ‚Erkennen‘ und dem eigentlichen Griff noch eine Phase existiert, in der einzig und allein die Schlagzeilen studiert werden, die halte ich seit jeher für ausgemachten Blödsinn. Wenn meine Magazine jemals mit Schlagzeilen zugepflastert waren, dann nur, weil der Verlag oder vielmehr dessen Vertriebspartner darauf bestand. Ich halte diese Ansichten für überholt – und darum ziehen wir da auch nicht mit. Ein Schrei-Cover wird es beim gedruckten elektrospieler nicht geben. Auch hier geht es uns darum, die Sammler zu erreichen. Glücklicherweise trägt Enno Coners diese Entscheidung. Er gehört wohl zu den wenigen Verlegern, die das verstanden haben. Und was die Anpassung des grafischen Konzepts angeht: Natürlich lässt sich das nicht eins zu eins auf das Print-Medium übertragen. Aber es war auch nicht all zu schwer, die wichtigsten Elemente und Prämissen der Gestaltung zu retten. So bleibt die Rubrizierung am oberen Rand in der bekannten Form erhalten – wohingegen die Navigationsleiste links natürlich wegfällt. Darüber hinaus mussten wir die Schriftgröße anpassen (verkleinern), ebenso die Abstände (vor allem innen am Bund) wurden der Druckform entsprechend verändert. Außerdem ist die Grafik insgesamt einen Tick filigraner geworden. Eine zentrale Rolle spielen aber nach wie vor übergroße Motive – ein Stilmittel, dass die Leser schon in der PDF-Ausgabe sehr geschätzt haben. Der „elektrospieler“ ist also immer noch der „elektrospieler“. Bei den meisten Magazinen ist die Redaktion quasi der ‚Auftraggeber‘ der Grafik. Letztere ist dann mehr oder weniger kreativ damit beschäftigt, den Inhalt ins grafische Korsett zu quetschen und sich dabei mit der Redaktion herumzuärgern. Aber die Grafik einer Zeitschrift sollte weit mehr sein als nur ein Vehikel, um die Inhalte zu transportieren. Gerade in einem Spieleheft gibt es nichts Wichtigeres als das Bild – immerhin ist unser Medium in erster Linie ein visuelles. Gamer wollen Grafik, Gamer wollen große Bilder und vor allem wollen sie statt der üblichen Screenshots Artworks sehen – diejenigen Motive, die sonst nur Artbooks füllen, die von den Zeitschriften aber nach wie vor weitestgehend ignoriert werden, weil ihnen dafür vor lauter Tests, Previews und klaustrophobisch eng gesetzter Informations-Textwüsten einfach der Platz fehlt. Die Publisher und Entwickler überhäufen die Magazine teils geradezu mit hochkarätigem Artwork – aber dann vergammelt es weitgehend ungenutzt auf deren Platten, weil sie einfach keinen Platz dafür haben. Dieses Problem haben wir nicht, denn wir erheben nicht den Anspruch der Vollständigkeit: uns geht es nicht darum, alle Spiele vorzustellen. Haben wir ein Thema auf dem Tisch, aus dem sich eine wunderschöne Seitenstrecke und Galerie stricken lässt, dann nehmen wir uns dafür einfach den Platz. Ich habe lieber fünf oder sechs starke Leitthemen im Heft als über dutzende Seiten verteilten, hässlichen Schrott. Dafür gibt es das Internet, denn das ist noch deutlich geduldiger als Papier. Das Videospielmagazin von heute muss wie die Medien, die es behandelt, vor allem eines sein: Ein Kunstwerk, das zum Entdecken und Bestaunen einlädt … ein Bild- und Themen-Band für Fans und kein verkrampftes Durchhecheln der Neuerscheinungen. Dafür gibt es – wie gesagt – das Internet. Ob uns das gelingt, wird sich zeigen – wir tun unser Bestes. Sobald die erste Print-Ausgabe am Kiosk liegt, werden wir uns auch wieder intensiver um die Aktualisierung der Website und den Aufbau der Community kümmern. Hier soll es auch um Inhalte mit mehr Aktualitäts-Bezug gehen, in der Druckausgabe dagegen in erster Linie um ‚schöne Inhalte‘.
Start: 18. November 2009
Erstausgabe: 1/2009
Herausgeber: CSW-Verlag
Segment: Multiformat-Magazin
Erscheinungsweise: vierteljährlich
Copy-Preis: € 6,95
Chefredakteur: Robert Bannert
Druckauflage: 20.000 Exemplare (Verlagsangabe)