Angesehen: GamePro 06/2010 – Die Relaunchausgabe
Mittwoch, 5. Mai 2010. Stichtag für die Relaunchausgabe der GamePro. IDG hat ihr Multiplattformheft inhaltlich, wie optisch grundlegend überarbeitet und bereits im Vorfeld freundlich Pressemitteilungen an diverse Mediendienste verschickt. Versprochen wurde allerhand: neues Wertungssystem, ein moderner Heftlook, mehr Meinungen und Hintergründe. Versprechen kann man Vieles, nicht halten ebenso.
Beginnen wir zunächst mit ein paar positiven Dingen: Das Cover bietet nun endlich mehr Platz fürs Titelmotiv und das Wertungssystem, bei dem die Einzelwertungen mehr oder minder kunstvoll zu einer Gesamtwertung zusammenaddiert wurden, ist Geschichte. Es gibt wieder klassisch Grafik und Sound im 10er System und eine Spielspaß-Note in Prozent. Damit sind wir auch schon am Ende angekommen. Halt, nicht ganz – denn schließlich gibt es auch Negatives zu berichten.
Bereits beim Blick ins Editorial fallen zweierlei Dinge auf: 1. Es gibt eine neue, viel größere Schrift und 2. „Layout entschlacken“ heißt vor allem eines, Farbe raus.
War schon beim letzten, wenig überzeugenden, Relaunch nicht ganz klar, warum die Comic-Avatare der Redakteure noch erhalten blieben, stellt sich die Frage jetzt erneut – nur viel drastischer. Denn übrig geblieben sind nicht einmal mehr die Symbole für die einzelnen Konsolen. Die Verwendung der Comic-Bildchen hätte man sich also schenken können, die passenden Schwarz-Weiß-Fotos sind direkt daneben bereits abgedruckt. Ebenfalls schenken können hätte man sich die Neugestaltung der Avatare, denn wirklich ähnlich sehen sie ihren echten Vorbildern nicht mehr. Henry Ernst sieht aus wie der liebe Onkel von Nebenan, Kai Schmidt wie ein Schwerverbrecher und Thomas Wittulski wie eine finster dreinblickende Papst-Benedikt-Karikatur ohne graue Haare.
Von einem Extrem ins Nächste
Bislang setzte man auf ein vierspaltiges Layout mit winzigkleiner Schrift. Davon hat man nun abstand genommen und schreibt wieder in einer Größe, die auch ältere Menschen problemlos lesen können. Vor allem die Headlines nehmen jetzt Ausmaße an, die ein großes, deutsches Boulevardblatt ebenfalls gerne für ihre Titelschlagzeilen verwendet. Die Spaltenzahl wurde halbiert, d. h. es gibt von nun an nur noch zwei. Auf den ersten Blick wirkt das sehr ungewohnt, auf den zweiten Blick führt das zu großen Textklumpen und sehr großen Screenshots mit sehr unregelmäßiger Breite.
(Ex-)Mitbewerber lassen grüßen
Ein Häppchen M! Games: Der Magazin-Teil der GamePro wird nun, genauso wie M! Extended, im ganzen Heft verstreut
Eine Portion PC PowerPlay: Jedes getestete Spiel bekommt mindestens zwei Seiten
Eine Scheibe neXt Level: Es kommt nicht mehr (fast) jedes Spiel in den Testteil, sondern nur noch ausgewählte Titel. Der Testteil der neuen GamePro umfasst also gerade einmal klägliche zehn Spiele, darunter einen Handheldtest
Dass man bei einem reinen Singleplattform-Magazin auf Kurztests oder Einseiter verzichtet, okay. Hat bei der PC PowerPlay auch geklappt, vor allem wenn man bedenkt, dass die ganzen Moorhuhn-Neuauflagen und Klone eh keinen Heftkäufer interessieren. Bei einem Multiformatheft wird das schon schwieriger, denn selbst wenn man den gröbsten Schrott (das Casual-Zeug für Wii) weglässt, erscheinen noch viele überdurchschnittliche Titel (GamePro-Maßstab 70% und drüber). Next Level hat dieses Problem vor mehr als zehn Jahren mit Kurztests gelöst. Da diese Option für die GamePro wegfällt, fallen die Titel einfach komplett aus dem Heft heraus. Denn wirklich viele Spiele kann man bei diesem Konzept nicht unterbringen, zumindest dann nicht, wenn der Umfang selbst zum Relaunch bei 100 Seiten verbleibt.
Dem neuerlichen Platzproblem sind in dies auch gleich die Leserbriefe zu Opfer gefallen. Laut Aussagen im Forum läge dies natürlich daran, dass es nicht genug brauchbare Zuschriften gegeben hätte. Ah ja, nach über 90 Ausgaben gibt es auf einmal also nicht mehr genügend Leserbriefe, deren Abdruck sich lohnt, soso.
Den Absturz der Relaunchausgabe verhindern können die neue Serie „GamePro Elements“ mit dem Schwerpunkt „Der Schuss“ in Videospielen und der nette Retroteil mit Tactics Ogre zwar nicht, aber immerhin verhindern sie einen Totalausfall.
Dass man an der ein oder anderen Stelle daneben gegriffen hat, wurde im Heftforum übrigens auch schon festgestellt, Wertungskasten samt „Awards“, die als solche derzeit nicht mehr erkennbar sind, sollen schon überarbeitet werden. Es bleibt also kein „Setzen, 6“ zurück, ein „Versetzung gefährdet“ ist es dennoch.
P.S.
Sorry Kosta und Jakob, es tut mir in der Seele weh dies geschrieben zu haben.